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Schweizer Finanzinstitute und Crypto Assets: Eine Gratwanderung zwischen Chancen und Risiken

Von Begeisterung bis Frustration: Schweizer Finanzinstitute navigieren im Bereich der Crypto Assets durch ein komplexes Gefüge aus Opportunitäten und Herausforderungen. Die Annäherung traditioneller Akteure an Crypto Assets respektive Digital Assets stellt einen Balanceakt dar. Zwischen dem Zwang zur Innovation und der Vorsicht vor einem neuen, teilweise noch wenig regulierten Markt entsteht ein Spannungsfeld, in welchem sich die Finanzinstitute positionieren müssen.

Pascal Eggloff und Ernesto Turnes, die Autoren des Titels «Blockchain in der Finanzwelt», geben uns Einblick in die Welt von Crypto Assets und Digital Assets. Sie zeigen klar verständlich die Entwicklungen der letzten zwei Jahre auf sowie, wohin die Reise gehen wird.

Im Jahr 2022 mussten die meisten Crypto Assets massive Kurskorrekturen hinnehmen. Sowohl die herausfordernden makroökonomischen Rahmenbedingungen als auch mehrere Skandale in der Kryptobranche haben diese Kurseinbrüche verursacht. Als Beispiele sind der Kollaps der zentralen Kryptobörse FTX und der Zusammenbruch des Terra-Luna-Netzwerks zu erwähnen. Im laufenden Jahr ist es wieder etwas ruhiger geworden, die meisten Crypto Assets bewegen sich in einem Seitwärtstrend, aktuell ist sogar ein leichter Aufwärtstrend erkennbar.

Trotz dieser Rückschläge befassen sich nicht nur die beiden Kryptobanken Seba und Sygnum intensiv mit Crypto Assets, sondern zunehmend auch traditionelle Finanzinstitute. Insbesondere die Digitalisierung von Vermögenswerten scheint eine gewisse Anziehungskraft auszuüben. Mehrere Banken haben neue Mitarbeitende im Bereich Blockchain und Crypto Assets eingestellt oder ihre bestehenden Teams verstärkt.

Traditionelle Finanzinstitute steigen in die Kryptobranche ein

Etablierte Banken wie Märki Baumann & Co., die Hypothekarbank Lenzburg, die Kaleido Privatbank und Julius Baer haben sich seit geraumer Zeit in der Kryptobranche positioniert. Weitere Akteure wie Swissquote, Crypto Finance und Bitcoin Suisse sind ebenfalls seit Längerem aktiv und bieten den Handel und/oder die Aufbewahrung von Crypto Assets an. Bei der Emission von Krypto-Zertifikaten zählt dagegen die Bank Vontobel zu den Pionieren. Die Berner Kantonalbank ist mit ihrer Handelsplattform SME-X, die auf die Tokenisierung der Aktien von KMUs und Start-ups abzielt, bereits seit dem Jahr 2021 am Start. Die Schweizer Börse SIX bietet mit ihrer Tochtergesellschaft, der Swiss Digital Exchange (SDX), zahlreiche Services rund um die gesamte Wertschöpfungskette von Digital Assets an. Die Schweiz hat sich in den letzten Jahren zu einem international führenden Standort für Digital Assets entwickelt. Das Angebot der Unternehmen reicht vom Handel über die Verwahrung bis hin zum Asset Management und zur Tokenisierung von physischen Objekten oder Wertpapieren.

Ende 2022 war eine weitere Welle von Markteintritten zu verzeichnen. Die Valiant Bank hat über die Incore Bank Dienstleistungen für die Verwahrung und den Handel von Crypto Assets lanciert. Die PostFinance hat im Juni dieses Jahres angekündigt, zu Beginn des kommenden Jahres ein eigenes Kryptohandelsangebot hochzufahren. Kürzlich haben die Luzerner und die Zuger Kantonalbanken ihren Einstieg in den Kryptohandel ab Ende 2023 bzw. anfangs 2024 verkündet. Letzte Woche folgte die St.Galler Kantonalbank (Angebot ab sofort). Die Schweizer Grossbank UBS hat verlauten lassen, dass sie die «Distributed Ledger Repo»-Plattform eines US-Finanzdienstleisters implementiert hat, um im Repogeschäft Kosten zu sparen. Zudem kursieren Gerüchte, dass es Akteure gebe, die Interesse an einer DLT-Handelslizenz der FINMA hätten. Bisher wurde diese neue Art von Handelslizenz noch nie erteilt.

Diese Entwicklungen decken sich mit den Aussagen im EY-Bankenbarometer 2023. Gemäss dieser Studie plant die Mehrheit der befragten Schweizer Banken (52 %) die Einführung eines Geschäftsmodells für digitale Vermögenswerte.

Dieses zunehmende Interesse spiegelt sich auch in den Aktivitäten verschiedener Branchenverbände. Die Schweizerische Bankiervereinigung und Swiss Fintech Innovations (SFTI) wirken beispielsweise an institutsübergreifenden Projekten mit, fördern den Erfahrungsaustausch und unterstützen öffentliche Veranstaltungen zu diesem Themenfeld.  Auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat bereits verschiedene Projekte wie Helvetia 1 und 2 (Phase 3 startet im Dezember 2023), Jura und Mariana durchgeführt. Ferner befasst sich die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit diversen Aspekten rund um digitale Zentralbankwährungen (CBDC) in Verbindung mit Cyber-Resilienz, Skalierbarkeit und Privatsphäre. Aktuell analysieren über 80 % der globalen Notenbanken die Vor- und Nachteile von CBDCs.

Regulatorische Klarheit ist erwünscht

Am Point Zero Forum im Juni 2023 waren Themen rund um digitale Vermögenswerte omnipräsent, wobei das Thema Regulierung im Mittelpunkt stand. Dies mag paradox klingen, zumal die dezentrale Natur der Blockchain-Technologie eine Regulierung erschwert. Nichtsdestotrotz ist ein sicherer Rechtsrahmen unerlässlich, damit sich die Potenziale von DLT, Blockchain und Co. in der Masse entfalten können. Nur dann werden auch regulierte Finanzinstitutionen in grösserem Umfang in den Markt eintreten. Das in den Jahren 2021 und 2022 in der Schweiz schrittweise eingeführte DLT-Mantelgesetz hat hierbei unterstützend gewirkt. Dennoch lassen die Interpretationen der FINMA scheinbar wichtige Fragen unbeantwortet und führen zu Frustration und Unverständnis in der Branche.

Selbstverständlich sind Aspekte wie Anlegerschutz und Finanzstabilität sowie die Verhinderung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zu priorisieren. Dabei gilt es aber auch darauf zu achten, Innovationen nicht bereits im Keim zu ersticken. Ein aktuelles Beispiel ist ein neuer Vorstoss der FINMA, der für das Anbieten von Staking-Dienstleistungen auf dem Schweizer Markt eine Banklizenz verlangen würde. Solche Interventionen bergen die Gefahr, dass die Schweiz den internationalen Anschluss im Bereich Digital Assets verlieren könnte. Jurisdiktionen wie jene in den Vereinigten Arabischen Emiraten (insbesondere Dubai) oder in Singapur befinden sich derzeit im Aufwind, wobei im Falle von Singapur zu hinterfragen ist, ob ihr kryptofreundliches Image tatsächlich noch der Realität entspricht. Mittlerweile hat auch die EU mit MiCAR (Markets in Crypto Assets Regulation) eine neue Regulierungsgrundlage geschaffen, von der eine höhere und vor allem rechtlich abgesicherte Marktadaption erwartet wird.

Wohin geht die Reise und wie lange dauert sie?

Unter dem Strich lässt sich festhalten, dass in den letzten zwei Jahren viel passiert ist. Der Markt wird zunehmend reguliert und scheint auch für Akteure der traditionellen Finanzwelt eine Anziehungskraft auszuüben. Bei allem Optimismus darf jedoch die momentan immer noch überschaubare Marktgrösse nicht ausser Acht gelassen werden. Die Marktkapitalisierung aller Crypto Assets liegt gemäss CoinMarketCap per 6. November 2023 bei rund USD 1330 Mrd., während die Marktkapitalisierung des Unternehmens «Apple» bei rund 2760 Mrd. US-Dollar liegt. Die vermehrte Integration von Crypto Assets bei traditionellen Finanzinstitutionen darf deshalb nicht zwingend als Startsignal für eine Massenadaption gewertet werden.

Weitere technologische, regulatorische und geschäftspolitische Entwicklungen sind mindestens genauso entscheidend. Dazu gehört beispielsweise die Verfügbarkeit eines regulierten Stablecoins oder einer digitalen Zentralbankwährung (CBDC). Diese könnten die Effizienz in vielen Anwendungsbereichen wie beispielsweise bei der Abwicklung von Handelsgeschäften steigern. Auch die Einführung einer elektronischen Identität (E-ID) für die Schweiz und Europa könnte der Kryptobranche Auftrieb verleihen. Wann und in welchem Ausmass sich Digital Assets jemals etablieren werden, lässt sich aus heutiger Sicht leider nicht vorhersagen. In den kommenden Jahren wird sich zeigen, ob es sich bei Blockchain und Digital Assets tatsächlich um einen Megatrend handelt.

Ernesto Turnes

Professor Ernesto Turnes leitet das Institut für Finance und Law (IFL) an der Ostschweizer Fachhochschule (OST) in St.Gallen. Zu seinen Spezialgebieten zählen das Asset Management, die Bewertung von Finanzinstrumenten sowie Investments in Crypto Assets.

Pascal Egloff

Pascal Egloff ist Dozent und leitet das Kompetenzzentrum für Banking und Finance an der Ostschweizer Fachhochschule (OST). Zu seinen Spezialgebieten zählen nebst Blockchain und Digital Assets die Bereiche Impact Finance und Innovationen im Banking.

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Blockchain in der Finanzwelt

Mit «Blockchain in der Finanzwelt» bieten die beiden Autoren Pascal Egloff und Ernesto Turnes einen kompakten und gut verständlichen Zusammenzug ihres Fachwissens aus mehrjährigen Forschungs-, Lehr- und Beratungstätigkeiten. Das einzigartige Nachschlagewerk ermöglicht einen umfassenden und differenzierten Blick hinter die Kulissen der Blockchain-Welt. Einsteigerinnen und Einsteigern bietet es  einen raschen Überblick und Einstieg ins Thema, Fortgeschrittenen zahlreiche Vertiefungen sowie den einen oder anderen fachlichen Leckerbissen.

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