Das wichtigste vorneweg: Die Abgrenzung zu anderen Lernkonzepten
Die Lernkonzepte von «Lernen 4.0», «Agilem Lernen» und «New Learning» werden oft verwechselt oder in dieselbe Sparte gesteckt, obwohl sie ursprünglich aus ganz unterschiedlichen Bereichen kommen.
«Lernen 4.0» fokussiert auf die Effizienzsteigerung durch Assistenzsysteme, welche unter anderem die Digitalisierung mit sich bringt. Durch die Kollaboration zwischen Mensch und Maschine können neue technologische Hilfsmittel (wie z. B. Bots, Sensoren oder Avatare) zum Lernen verwendet werden.
«Agiles Lernen» wiederum zielt auf die lebenslange Anpassungs- und Innovationsfähigkeit von Menschen und Organisationen ab. Durch strukturierte, klare und kurze Abläufe entsteht eine hohe Dynamik, welche eine bewusste Zielorientierung und Kollaboration mit sich bringt.
Im «New Learning» steht die Potenzial- und Selbstentfaltung der Lernenden im Zentrum. Der Lernprozess wird geprägt durch Sinnhaftigkeit des zu erlernenden Wissens, von Selbstbestimmung und Autonomie innerhalb einer (Lern-) Gemeinschaft.
Diese drei Lernkonzepte haben zwar Überschneidungen, grenzen sich von der Art des Lernprozesses und Unterstützung der Lernenden aber (teilweise) klar voneinander ab.
Woher stammt New Learning und wie wird es definiert?
Der Ursprung von «New Learning» ist im Ansatz in Frithjof Bergmanns New-Work-Konzept zu finden. Nach diesem sozialphilosophischen Konzept sollte Arbeit jeweils zu einem Drittel bestehen aus Selbstversorgung, Erwerbsarbeit sowie «Arbeit, die man wirklich, wirklich will». Zentrale Werte dieses Ansatzes waren für ihn Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft.
Definition
New Learning hat die Selbst- und Potenzialentfaltung des Individuums zum Ziel. New Learning bezeichnet Lernen, das von Lernenden als sinnhaft erlebt wird und die Teilhabe an der Gemeinschaft ermöglicht. Die Lernprozesse sind geprägt von Selbstbestimmung, Autonomie und dem Streben nach Wirksamkeit. Dabei gilt, dass die Lernenden ein hohes Mass an Selbstverantwortung und Zugehörigkeit zur (Lern-)Gemeinschaft erleben Graf & Schmitz, 2019 .
«New Learning»: Das Streben nach Wirksamkeit
Nach dem Prinzip der Freiwilligkeit sollte die lernende Person selbst bestimmen, was sie wie lernt. Dadurch ist auch die Selbstkompetenz für dieses Lernkonzept zentral. Zum einen, weil man sich selbst bewusst sein muss, was man schon kann, zum andern aber auch, was man wie und wann leisten möchte. Wie Sie sehen, geht es weniger um «Wissen» über ein Thema, sondern mehrheitlich um die Anwendung von Know-how innerhalb eines Themas und dadurch um die Teilhabe in einem sozialen System. Durch diesen Faktor wird wiederum die Zugehörigkeit zu einer (Lern-)Gemeinschaft bestärkt und bringt somit eine gesamtgesellschaftliche Relevanz mit sich – das persönliche Streben nach Wirksamkeit.
Die Lernformen, die dabei verwendet werden können, sind geprägt von der Gemeinschaft. Da die soziale Dimension bei «New Learning» im Zentrum steht, eignen sich Methoden wie Lerngruppen, kollegiale Beratung oder Supervisionen dazu. Wenn man wiederum die Sinnstiftung und soziale Teilhabe in den Mittelpunkt stellt, wäre zum Beispiel das Service-Learning, die Purpose-Orientierung oder der Perspektivenwechsel Werkzeuge, die mit Lernenden umgesetzt werden können.
Beispiele, wie New-Learning-Methoden im Unterricht angewendet werden können
Lerngruppen
Bilden Sie zu einem beliebigen Thema aus dem Lernsetting Ihrer Schule eine heterogene Lerngruppe und verteilen Sie verschiedene Rollen (beispielsweise in einem Rollenspiel mit Kunde/Kundin und Lieferant/Lieferantin). Lassen Sie dann wiederum die Lernenden nach der ersten Durchführung des Rollenspiels die Rollen tauschen und die Aufgabe erneut lösen (Perspektivenwechsel). Zum Schluss sollen die Lernenden sich über die unterschiedlichen Perspektiven unterhalten und ihre Erkenntnisse daraus reflektieren.
Kollegiale Beratung
Bitten Sie eine oder mehrere Lernende (Fallgeber), einen Fall aus ihrem Arbeitsumfeld mitzubringen, in dem die Person nicht weiter weiss, respektive Schwierigkeiten hatte. Der Fallgeber schildert den Fall einer Gruppe von max. 4 Mitlernenden (Berater). Nach der Fallschilderung haben die Berater die Möglichkeit, Rückfragen an den Fallgeber zu stellen. Danach entwickeln die Berater zusammen verschiedene Ideen zur Lösung des Falls und der Fallgeber hört zu. Jetzt entscheidet sich der Fallgeber für eine dieser Lösungen und die Berater entwickeln zusammen mit ihm mögliche Lösungsansätze.
Supervision
Bilden Sie Kleingruppen aus ca. 5 Lernenden und bitten Sie eine lernende Person (Klient), einen kniffligen Fall aus dem Berufsalltag zu schildern. Die Zuhörer (Supervisoren/Supervisorinnen) stellen dem Klienten offene Fragen, um ihn dabei zu unterstützen, den eigenen Lösungsweg zu finden. Begleiten Sie den Prozess, um sicherzustellen, dass die Supervisoren/Supervisorinnen keine Ratschläge geben und sich darauf konzentrieren, den Klienten auf seinem Lösungsweg zu begleiten.
Service-Learning
Lassen Sie die Lernenden über ein Thema abstimmen, welches sie zusammen angehen möchten (beispielsweise aus den Bereichen Umwelt, Ernährung, Diskriminierung, Rassismus, Zukunftsplanung, Seniorenberatung). Die Lernenden sammeln zum definierten Thema Ideen und Möglichkeiten, wie sie sich engagieren können und setzen gemeinsam (erste) Projekte um. Durch dieses Vorgehen können Wissensthema mit dem persönlichen Engagement der Lernenden kombiniert werden und die intrinsische Motivation sowie die persönliche Identifikation zum Thema gefördert werden.
Purpose-Orientierung
Wenn wir von einem Purpose-orientierten Lernen ausgehen, so heisst dies nichts anderes, als dass die Lernenden hinter dem zu lernenden Wissen für sich, ihrer Tätigkeit und ihrem Umfeld einen Sinn, Absicht oder Mehrwert erkennen. Hier ist es also wichtig, den Lernenden nicht nur die zu lernende Theorie zu erklären, sondern eine Brücke zu ihrem Alltag zu schlagen. Dies gelingt, indem man praxisbezogene Situationen erzeugt, in welchen ersichtlich ist, dass das neue Wissen und die Umsetzung für sie einen Mehrwert, respektive einen Vorteil bringt. Am einfachsten lässt sich dies umsetzen, wenn die Lernenden ein Lernziel nehmen und sich überlegen, welchen persönlichen Nutzen sie daraus ziehen bzw. welche Brücke sie dabei schlagen könnten.
Oftmals wird die Wirksamkeit bei der Nutzung von neuen Lernkonzepten und/oder Methoden unterschätzt. Probieren Sie neue Methoden mit Lernenden aus, ohne im Vorhinein genau wissen zu wollen, wohin der Weg führt. Allein dieser Ansatz ist ein Lernprozess für die ganze Lerngruppe, welcher auch Sie angehören können. Wichtig dabei ist die Offenheit, neue Dinge und Settings auszuprobieren; einfach mal zu machen. Wir wünschen Ihnen viel Spass dabei!
Möchten Sie mehr über New-Learning-Methoden erfahren und das Wissen auch gleich praktisch anwenden, dann empfehlen wir Ihnen unseren Workshop «New Learning». Er richtet sich an KV-Lehrpersonen und Dozierende im Weiterbildungsgang Digital Collaboration Specialist.