Der Sachverhalt
Der gut dokumentierte Sachverhalt ist wie folgt: Ein Walliser Unternehmer ersteigerte das Kennzeichen «VS 1» für CHF 160’100 und nutzte dieses für eine Protestaktion gegen ein kommunales Bauvorhaben. Anschliessend veräusserte er das Kennzeichen für CHF 165’100 an eine von ihm indirekt beherrschte Holdinggesellschaft (AG). Diese wiederum verbuchte die Zahlung als ausserordentlichen Aufwand.
Diese Art der Verbuchung wurde im Nachsteuerverfahren aufgegriffen und über alle Instanzen hinweg als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) qualifiziert. Das Urteil ist verfahrensrechtlich zwar interessant, in diesem Rahmen wird jedoch nur der bilanzrechtliche Aspekt betrachtet.
Die Ersterfassung: Aufwand oder Vermögenswert?
Zunächst zur Frage der Ersterfassung: Offenkundig wurde die Zahlung des Kaufpreises als Aufwand verbucht und damit eines der konstituierenden Merkmale einer vGA erfüllt. Hätte das Autokennzeichen auch als Vermögenswert bilanziert werden können? Massgebend hierfür ist Art. 959 Abs. 1 OR, welcher folgende Voraussetzungen verlangt: Es muss (a) über den fraglichen Vermögenswert verfügt werden können, (b) ein zukünftiger Mittelzufluss wahrscheinlich sein und (c) der Wert verlässlich schätzbar sein.
Ob und inwieweit über ein Autokennzeichen «verfügt» werden kann, ist – wen wundert’s – kantonal unterschiedlich geregelt. In der Deutschschweiz ist eine Übertragung rechtlich entweder an alle im Kanton wohnhafte Personen (bspw. Thurgau) oder nur in der engen Verwandtschaft (bspw. Zürich) oder drei- bis vierstellig in der engen Verwandtschaft und der Rest an alle im Kanton wohnhaften Personen (bspw. Aargau) zulässig. Für die bilanzrechtliche Verfügbarkeit – und hier gehen wir nun vom Speziellen ins Allgemeine über – ist jedoch keine rechtliche, sondern eine wirtschaftliche Beurteilung anzustellen (Praxiskommentar, Art. 959, N 15): Der fragliche Vermögenswert muss nicht rechtlich einzeln veräusserbar sein; es genügt die faktische Beherrschung, was bei einem Autokennzeichen gegeben ist. Entsprechend können bei genauerer Betrachtung auch weitere Nutzungsrechte als Vermögenswerte qualifiziert und erfasst werden (Cloud Computing, SaaS-Verträge, Wege- und Durchleitungsrechte etc.). Hinzuweisen ist auf die weitergehenden Vorschriften zur Sacheinlage (Art. 634 Abs. 1 OR): Über die genannten Merkmale hinaus muss hier auch die rechtliche Verfügbarkeit im Sinne der rechtlichen und faktischen Einzelübertragbarkeit gewährleistet sein (Praxiskommentar, Sonderbilanzen, N 8). Dies wäre im konkreten Fall eines Autokennzeichens wohl nicht gegeben.
Die verlässliche Schätzung des Wertes ist üblicherweise dann möglich, wenn für einen Vermögenswert Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorliegen. Da das Kennzeichen ersteigert wurde, stellen die CHF 160’100 auch die Anschaffungskosten dar. Dass es sich dabei aber um einen Marktpreis handelt oder weitergehend ein Autokennzeichen zu den «Aktiven mit beobachtbaren Marktpreisen» i. S. v. Art. 960a Abs. 1 OR zählt, darf hingegen bezweifelt werden. Auktionen sind keine Börsen, daher sind die bezahlten Preise auch keine Marktpreise (Praxiskommentar, 960b, N 20). Und homogene Güter sind Autokennzeichen schon gar nicht.
Kommen wir nun zum dritten Kriterium, dem wahrscheinlichen künftigen Mittelzufluss. Das Bundesgericht (BGer vom 14.03.2024 – 9C_5/2023, Abs. 5.3.1.) widmet sich dieser Frage mit grosser Ernsthaftigkeit: «Auch wenn Sponsoringaufwendungen grundsätzlich geschäftsmässig begründeten Aufwand darstellen können, […] müssen solche Massnahmen, damit sie gewinnsteuerlich als geschäftsmässig begründet angesehen werden können, zumindest einen indirekten Werbeeffekt haben. Ein solcher Effekt dürfte mit Bezug auf die Verwendung eines auffälligen Autokennzeichens […] bei einer aktiven Gesellschaft, insbesondere wenn deren Tätigkeit die Verwendung von Fahrzeugen einschliesst (z. B. Personentransporte, insbesondere zu besonderen Gelegenheiten, VIP-Transporte o. Ä.), […] nicht zum vornherein ausgeschlossen werden können.»
Auch der Einsatz bei einem Protest wurde als geschäftsmässig begründet angesehen, vorausgesetzt, dass dieser Protest auch der das Kennzeichen erwerbenden Gesellschaft dient.
Die Veräusserung: Bilanzrechtliche Aspekte
Im vorliegenden Fall wurde das Autokennzeichen jedoch an eine rein vermögensverwaltende Gruppengesellschaft übertragen, bei der die oben genannten Motive schlichtweg nicht nachweisbar waren. Handkehrum: Hätte der Unternehmer das Autokennzeichen an eine andere Gesellschaft verkauft, wäre die Beurteilung wohl eine andere gewesen.
Wäre das Kennzeichen bilanziert worden, hätte sich die Frage der Folgebewertung gestellt: Ist dieses planmässig – und wenn ja, über welche Nutzungsdauer – abzuschreiben? Da eine alters- oder nutzungsbedingte Entwertung wohl nicht festzustellen ist, wird man voraussichtlich von einer unbestimmten Nutzungsdauer und allenfalls einer ausserplanmässig eintretenden Wertminderung und Abschreibung ausgehen müssen.
Das Learning: Übertragung auf andere Sachverhalte
Die geneigten Leserinnen und Leser werden nun einwenden, dass die von mir angestellten Überlegungen zur Abschreibung eines Autokennzeichens in ihrer täglichen Praxis keine Rolle spielen. Die dahinter liegenden Argumente sind jedoch auf relevantere Sachverhalte anzuwenden, so etwa die Folgebewertung erworbener Produktmarken. Auch hier wird mitunter die Meinung vertreten, dass sich diese nicht entwerten bzw. dass sie durch die laufenden und aufwandswirksam verbuchten Werbeaufwendungen werthaltig bleiben.
Dass Marken verschwinden, zeigt die Vergangenheit (Hug-Schuhe, Saurer-Busse, Pink Flamingo oder Charles Vögele, um nur einige zu nennen). Markenwerbung zielt dabei lediglich darauf ab, diese in ihrem bestimmungsgemässen Zustand zu halten. Sie führen – ebenso wie die Instandhaltung von Maschinen und Liegenschaften – nicht ohne Weiteres zu einer Verlängerung ihrer Lebensdauer. Schliesslich ist miteinzubeziehen, dass Abschreibungen nicht nur der statischen Vermögensdarstellung dienen, sondern auch der dynamischen, periodengerechten Gewinnermittlung. Insofern sind Produktmarken – anders als Autokennzeichen – Vermögenswerte mit einer beschränkten Nutzungsdauer (Praxiskommentar, 960a, N 68).