Andri Signorell über den Entstehungsprozess eines Lehrbuchs
Andi Signorell unterrichtet Statistik und Statistische Datenanalyse an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich, dies bereits seit mehr als 20 Jahren. Kürzlich erschien im Verlag SKV sein Praxisbuch «Statistische Datenanalyse», es ist das fünfte Buch der HWZ-Wissen-Reihe Excellence in Business Know-how.
Bevor wir in das eigentliche Thema des Schreibens eines Lehrmittels eintauchen, möchten wir von dir wissen, weshalb die Statistik in zahlreichen Studiengängen ein Pflichtfach ist. Bei vielen Studierenden ist die Statistik bekanntlich nicht wirklich beliebt. Weshalb ist dieses Thema nun eigentlich so wichtig?
In der Tat hat Statistik den Ruf, schwierig und komplex zu sein. Als mathematisches Fach ist es bei Studierenden oftmals von vornherein nicht besonders beliebt. In der Statistik erzeugt man – wie in der Mathematik – Modelle, um reale Phänomene quantitativ zu erfassen. Dies erfordert Übung und vor allem Erfahrung. Das müssen sich Neulinge naheliegenderweise erst erarbeiten. Bis dahin ist es oft schwierig zu erkennen, warum gewisse grundlegende Verfahren überhaupt nützlich sein sollten.
Statistik bildet analytische Fähigkeiten aus, welche in anderen Fächern weniger gefordert, vor allem aber auch in höheren beruflichen Positionen von grosser Bedeutung sind. Daher ist die Statistik in relativ vielen Studienrichtungen ein Pflichtfach. Führungsleute sollten sich nicht nur auf die Angaben ihrer Mitarbeitenden verlassen, sondern auch fähig sein, Interpretationen selbst vorzunehmen. Früher stützte sich Expertenwissen vor allem auf Erfahrung. In der heutigen digitalen Welt ist der Anspruch da, Annahmen anhand von Zahlen empirisch belegen zu können. Unternehmen investieren viel Geld in die Sammlung von Daten. Das geschieht nicht zweckfrei; die gezielte Datenanalyse soll ihnen zu Wettbewerbsvorteilen verhelfen.
Worauf kommt es bei der Vermittlung der «statistischen Datenanalyse» an?
Die HWZ ist eine praxisorientierte Fachhochschule. Die Studierenden verfügen oftmals über einen KV- oder Finanzhintergrund und absolvieren das Studium in Teilzeit neben ihrer beruflichen Tätigkeit. Vor diesem Hintergrund haben wir als Dozierende einen praxisnahen, aufbauenden Ansatz gewählt: Methoden werden anschaulich anhand von zahlreichen Praxisfällen und Übungen aus verschiedenen Anwendungs- und Wirtschaftsbereichen erklärt. Hierbei beginnen wir mit dem Einfachen und gehen fortschreitend zum Komplexeren über.
Die Statistik lehrt Studierende, analytisch zu denken und dabei Probleme und Fragestellungen systematisch anzugehen. Um mentalen Hürden vorzubeugen oder sie zu senken, führe ich neue Methoden über konkrete Fragestellungen – falls möglich aus dem Alltag – ein, sodass Studierende die Relevanz und Notwendigkeit des Themas erkennen. In den Praxisanwendungen lernen sie, welche Methoden und Werkzeuge sie anwenden müssen, um die Fragestellungen zu beantworten.
Meine Erfahrung als Dozent ist zudem, dass Studierende mathematische Themen im Lernansatz häufig falsch angehen. Oftmals beginnen sie erst 3 – 4 Wochen vor der entsprechenden Prüfung zu lernen. Diese Vorgehensweise kommt jedoch nachhaltigem Lernen nicht zugute und verträgt sich nicht mit komplexen Themen wie der statistischen Datenanalyse, welche immer erst nach einer gewissen Zeit und nach mehreren Wiederholungen verdaut ist. Dabei ist es wichtig, schrittweise vorzugehen und sich Theorie und Praxisanwendung in kleinen Portionen anzueignen.
Was macht aus deiner Sicht ein gutes Lehrbuch aus?
In erster Linie muss ein Lehrbuch verständlich sein. Es soll die Leser und Leserinnen abholen und sie motivieren. Es soll Lust machen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, und ihnen Erfolgserlebnisse ermöglichen. Neben dem Job zu studieren, erfordert oftmals Überwindung. Diese Hürde gilt es nicht noch zusätzlich zu erhöhen.
Ein Lehrbuch soll die Studierenden zum aktiven Lernen, Üben und Anwenden animieren und ihnen Hilfe zur Selbsthilfe bieten. Indem die Inhalte sich in der Form abwechseln, erleichtern sie das Studium. Textwüsten sind dabei generell zu vermeiden. Grafiken und Abbildungen unterstützen den Verständnisprozess und lockern auf; sie helfen, die Materie auf unterschiedliche Weise aufzunehmen. Eine möglichst grosse Anzahl aufbauender Übungen und Praxisbeispiele ermöglichen die Theorie zu vertiefen und die Methoden eigenständig anzuwenden. Die HWZ stellt ihren Studierenden zusätzlich zu diesem breit gefächerten Übungsmaterial auf der internen Moodle-Plattform auf ihre Lehrmittel abgestimmte Lernkontrollen zur Verfügung, sodass sie ihr Wissen gezielt testen können.
Für Dozierende bietet ein gutes Lehrbuch vielfältige Inhalte, welche unterschiedlichen didaktischen Ansätzen gerecht werden und so individuell einsetzbar sind. Ein durchdachter Aufbau und ein gut strukturiertes Inhaltsverzeichnis lassen Inhalte und passende Übungen schnell auffinden und anwenden.
Eine Frage an dich als Autor: Weshalb ist es spannend, sein Wissen in einem Buch zusammenzufassen?
Im Verlauf langjähriger Unterrichtstätigkeit entsteht wohl das Bedürfnis, die eigenen Erfahrungen niederzuschreiben, verbunden mit dem Ziel, diese den Studierenden weitergeben zu können. Wenn man sein Wissen in ein Lehrbuch einbringt, geschieht dies mit dem Zweck, anderen mitzuteilen: «Wenn du dies so machst, dann kommt es gut.»
Wie entsteht ein Lehrbuch?
An der HWZ haben wir uns im Fach Statistik lange mit dem Einsatz bereits existierender Lehrbücher schwergetan. Das war für mich auch die Motivation, dieses Buch hier zu schreiben.
Da ich schon sehr lange an der HWZ unterrichte, orientieren sich andere Dozierende schon seit Längerem an meinen Materialien und Übungen, weshalb diese mit der Zeit informell zum internen Standard wurden. Das Buch ist somit auf den Lehrplan der HWZ abgestimmt. Der Inhalt ist für 2 Semester ausgelegt und umfasst einen Workload von insgesamt 240 Stunden. Gestartet wird auf tiefem Niveau. Der Stoff wird modulweise zusammengefasst, um dem Lernprozess Struktur zu geben.
Mit der Sammlung der vorhandenen Materialien ging es dann in den Schreibprozess. Das bedeutet, dass komplexe Lernziele und Methoden verständlich und in eine einfache Sprache heruntergebrochen werden mussten, um sie für alle gut nachvollziehbar zu machen. Dies erfordert beim Schreiben manchmal einen Kompromiss zwischen dem Wunsch nach exakter Formulierung und dem noch nicht vollständig ausgereiften Verständnis des Zielpublikums für eine präzise Fachsprache.
Bei diesem Buchprojekt habe ich mit verschiedenen Dozierenden zusammengearbeitet. Im Fachkreis hatten wir gute Diskussionen bezüglich der Zusammenstellung der Inhalte. Auf der einen Seite stand das Lektionenbudget, auf der anderen die Frage, was hineinzunehmen und was wegzulassen ist. Für das eigentliche Manuskript gaben mir zudem einige geschätzte Kollegen und Kolleginnen detailliertes Feedback und fachlichen Input, vor allem in Bezug auf Verständlichkeit. Dieser Austausch war sehr wertvoll, denn ein gutes Buch entsteht selten im Alleingang.
Ist dies dein erstes Buch? Würdest du ein solches Projekt nochmals machen wollen?
Ja, die «Statistische Datenanalyse» ist mein erstes eigenes Buch. Vor meiner Zeit an der HWZ habe ich bei der Migros-Klubschule an Lehrmitteln mitgearbeitet. Dies ist aber lange her und fand in einem ganz anderen Rahmen statt.
Der Prozess des Schreibens und das Transkribieren meines Expertenwissens zum Erlernen dieser Materie haben mir viel Spass gemacht. Das fertige Buch finde ich gelungen. Es liest sich gut und ist keine Bleiwüste; es weist einen guten Mix zwischen Text, Grafiken, Formeln und zahlreichen Darstellungen auf. Auch daran haben diverse Personen mitgearbeitet oder ihre Ideen mit einfliessen lassen.
Ideen für weitere Bücher habe ich bereits. Ich arbeite viel mit R, einer Open-Source-verfügbaren Software für Statistik. An Arbeiten von Studierenden sehe ich, dass insbesondere das Thema der Erstellung von Grafiken für Datenanalysen noch zu wenig nachhaltig vermittelt wird. Aus Mangel an Büchern auf dem Markt habe ich hierfür bereits mit einem neuen Werk begonnen. Ihr dürft gespannt sein …
Die HWZ-Wissen-Titel – Excellence in Business Know-how
Die Bücher aus der Reihe «HWZ Wissen» zeichnen sich durch ihre Praxisrelevanz und leichte Verständlichkeit aus. Sie bieten nicht nur einen Mehrwert für die HWZ, sondern stellen auch ein Kondensat des Fach- und Praxis-Know-hows von erfahrenen HWZ-Dozierenden für den Drittmarkt dar, für Dozierende und Studierende anderer Fachhochschulen und Universitäten sowie für das Selbststudium.
Die Themenbereiche der HWZ-Lehrbücher umfassen Statistische Datenanalyse, Wissenschaftsmethodik, Deutsch kompakt, eine Einführung in die Bitcoin-Technologie sowie Plattform-Ökosysteme.